Government Regulation & Corporate Governance

Die Schweizer Bevölkerung möchte im Ausland tätige Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen

business and environment

Bericht

Hier finden Sie den vollständigen DownloadBericht (PDF, 2.6 MB) zu unserer repräsentativen Umfrage in der Schweizer Bevölkerung zur weltweiten Verantwortung von Unternehmen gegenüber Mensch und Umwelt sowie der Konzernverantwortungsinitiative.

Die Debatte zum Thema weltweite Verantwortung von Unternehmen gegenüber Mensch und Umwelt hat nach der Festlegung von «Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte» durch die Vereinten Nationen im Jahre 2011 in vielen europäischen Ländern (zum Beispiel in der Schweiz, in Grossbritannien, Frankreich und Deutschland) an Relevanz gewonnen. Eine hohe Intensität hat diese Debatte in der Schweiz erreicht nachdem im Herbst 2016 die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen» (Konzernverantwortungsinitiative) eingereicht wurde.

Mit einer repräsentativen Umfrage in der Schweizer Bevölkerung, die wir im November 2018 durchgeführt haben, tragen wir zur Beantwortung der Frage bei, wie Schweizer BürgerInnen zu dieser Thematik in allgemeiner Form und mit konkretem Bezug zur Initiative stehen. Unterstützt die Bevölkerung eine Umsetzung der UNO-Leitprinzipien, und in welcher Form? Wie steht die Bevölkerung zu den Anliegen der Konzernverantwortungsinitiative? Welche Rolle spielen freiwillige Massnahmen des Privatsektors in diesem Kontext? Reduzieren freiwillige Massnahmen in bestimmter Form die Nachfrage nach stärkeren staatlichen Eingriffen in diesem Bereich?

Autoren: Dennis Kolcava, Lukas Rudolph und Thomas Bernauer
 

Die Debatte zum Thema weltweite Verantwortung von Unternehmen gegenüber Mensch und Umwelt hat nach der Festlegung von «Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte» durch die Vereinten Nationen im Jahre 2011 in vielen europäischen Ländern (zum Beispiel in der Schweiz, in Grossbritannien, Frankreich und Deutschland) an Relevanz gewonnen.
Der Schweizer Bundesrat fasst den Inhalt der Leitprinzipien wie folgt zusammen: Erstens besteht eine staatliche Schutzpflicht: Staaten müssen notwendigen Massnahmen ergreifen, um die Bevölkerung vor Menschenrechtsverletzungen auch durch private Akteure - einschliesslich Unternehmen - zu schützen. Zweitens besteht eine Verantwortung von Unternehmen, Menschenrechte zu achten und zu diesem Zweck im Verhältnis zu den Umständen gebührende Sorgfalt walten zu lassen. Drittens haben Staaten und Unternehmen eine Verantwortung, wirksame Abhilfe für Betroffene zu ermöglichen.
Inhaltlich begründen sich die UNO Leitprinzipien auf die sogenannten ILO-Kernarbeitsnormen und internationale Menschenrechtsabkommen. Vielfach berühren diese Normen auch das Thema Umweltschutz, weswegen oftmals von Massnahmen zum Schutz von «Mensch und Umwelt» die Rede ist.
Die Leitprinzipien umfassen auch einen Auftrag für Staaten darauf hinzuwirken, dass inländische Wirtschaftsunternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit im Ausland die Menschenrechte und den Umweltschutz achten. Massnahmen zu diesem Zweck können etwa Auflagen zur transparenten Berichterstattung oder sogar unmittelbare extraterritoriale Rechtssetzung sein. Aus diesem Auftrag hat sich in der Europäischen Union und in den OECD eine Debatte entwickelt, inwiefern der weltweite Schutz von Mensch und Umwelt gerade durch multinationalen Konzernen mit Sitz in westlichen Staaten in allen Tätigkeitsländern sichergestellt werden kann.
Wie genau Staaten die Verantwortung der in ihrem jeweiligen Land ansässigen Unternehmen bei Tätigkeiten im Ausland sicherstellen wird durch die UNO-Leitprinzipien allerdings nicht festgeschrieben. Die Europäische Union hat beispielsweise alle Mitgliedsstaaten zur Erstellung von nationalen Aktionsplänen zum Thema aufgefordert. Auch die Schweiz hat einen solchen Aktionsplan verabschiedet. Manche europäische Ländern haben in diesem Rahmen konkrete gesetzliche Verpflichtungen eingeführt, z.B. Frankreich mit einem Gesetz über Sorgfaltspflichten für französische Unternehmen – sie müssen aufzeigen, dass und wie sie entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette Mensch und Umwelt respektieren. Andere Staaten legen das Augenmerk auf freiwillige Verpflichtungen, z.B. Deutschland – ein nationaler Aktionsplan bietet dort einen Orientierungsrahmen für Unternehmen und andere Akteure, um die Leitprinzipien praktisch anwendbar zu machen und Pflichten der Akteure kohärent aufzuzeigen.

Auch in der Schweiz wird eine intensive Diskussion zum Thema geführt. Wie lässt sich der Schutz von Mensch und Umwelt durch Schweizer Unternehmen sicherstellen? In welchem Umfang und in welcher Form soll der Schweizer Staat Unternehmen mit Sitz im Inland bei ihren Tätigkeiten in anderen Ländern beaufsichtigen?

Eine hohe Intensität hat diese Debatte in der Schweiz erreicht nachdem im Herbst 2016 die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen» (Konzernverantwortungsinitiative) eingereicht wurde. Die Initianten fordern, dass das Parlament ein neues Gesetz erlässt. Es soll Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz zu einer Sorgfaltsprüfung hinsichtlich «tatsächlicher und potenzieller Auswirkungen auf die international anerkannten Menschenrechte und die Umwelt» in der Ausübung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten verpflichten. Im Rahmen einer regelmässigen Berichterstattung sollen Risiken für Mensch und Umwelt an den Standorten von Schweizer Unternehmen im Ausland beschrieben und bewertet werden. In den Wirkungsbereich dieses Gesetzes sollen auch abhängige Unternehmen, also andere Unternehmen entlang der Lieferkette fallen. In einem zweiten Schritt müssen Massnahmen zur Vorsorge getroffen werden, um Schäden zu verhindern. Zudem wird gefordert, dass vor Schweizer Gerichten ein Zugang zu Wiedergutmachung erstritten werden kann, falls ein Betroffener/eine Betroffene durch eine Schweizer Firma Schäden erlitten hat und diese Firma keine ausreichende Sorgfalt hat walten lassen.

In der parlamentarischen Debatte um diese Initiative erwägt das Parlament einen indirekten Gegenvorschlag. Dieser soll Aspekte des Initiativvorschlages aufgreifen. Es ist jedoch sowohl umstritten, ob ein solcher Gegenvorschlag erfolgen soll (Stand März 2019: positives Votum im Nationalrat, ablehnendes im Ständerat), und in welcher Form – so hat die Rechtskommission des Nationalrats umfassende Haftungsregelungen vorgeschlagen, die des Ständerates weit weniger umfassende. Nach Ablehnung eines Gegenvorschlags im Ständerat am 11. März ist eine Volksabstimmung wahrscheinlicher geworden ist.

Mit einer repräsentativen Umfrage in der Schweizer Bevölkerung, die wir im November 2018 durchgeführt haben, tragen wir zur Beantwortung der Frage bei, wie Schweizer BürgerInnen zu dieser Thematik in allgemeiner Form und mit konkretem Bezug zur Initiative stehen. Unterstützt die Bevölkerung eine Umsetzung der UNO-Leitprinzipien, und in welcher Form? Wie steht die Bevölkerung zu den Anliegen der Konzernverantwortungsinitiative? Welche Rolle spielen freiwillige Massnahmen des Privatsektors in diesem Kontext? Reduzieren freiwillige Massnahmen in bestimmter Form die Nachfrage nach stärkeren staatlichen Eingriffen in diesem Bereich?

Die Umfrage wurde im Kontext eines Forschungsprojekts durchgeführt, das sich mit der Frage beschäftigt, wie der ökologische und soziale «Fussabdruck» von Industriestaaten im Ausland gemessen werden kann, welche Faktoren Verlagerungsprozesse des «Fussabdrucks» vom In- ins Ausland bewirken und wie sich eine solche Verlagerung begrenzen oder reduzieren liesse. Diese Thematik ist insbesondere für die Schweiz von höchster Bedeutung. Die Schweiz ist eines der am stärksten globalisierten Länder der Welt. Eine Begleiterscheinung davon ist, dass rund 70-80% des gesamten ökologischen Fussabdrucks der Schweiz, der durch den Konsum im Inland entsteht, im Ausland anfällt. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts befassen wir uns unter anderem auch mit der Frage, wie Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in der Schweiz mit diesem Phänomen umgehen könnten und welche Lösungen politisch machbar und wirksam sein könnten. Dazu haben wir die genannte Umfrage durchgeführt und präsentieren hier aus aktuellem Anlass einige Befunde, die im Kontext der Debatte um die Konzernverantwortungsinitiative von Interesse sind.
 

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